The Alan Parsons Project: "Tales Of Mystery And Imagination" (Deluxe Edition)
Vö. 27.04.2007 | Universal Music
"Tales Of Mystery And Imagination: Edgar Allan Poe" war die erste Veröffentlichung von The Alan Parsons Project, eine - insbesondere, wenn man die damaligen Verhältnisse bedenkt - absolut wegweisende Studiokollaboration von Eric Woolfson, seines Zeichens Songwriter und Manager, und dem renommierten Tontechniker/Produzenten Alan Parsons. Besagte Aufnahme sollte den Anfangspunkt einer umfangreichen Serie von insgesamt zehn perfekt produzierten, fehlerlos eingespielten Werken der beiden markieren, die Fans von progressiver Rockmusik weltweit bis heute zu begeistern vermögen.
Ein Blick auf die individuelle Entwicklung der beiden Protagonisten, die sich hinter dem Alan Parsons Project verbergen, genügt, um zu erkennen, woher sie ihre immer neuen Ideen schöpften. Es gibt nur wenige Bands, die man als Bindeglied zwischen so unterschiedlichen Künstlern wie The Beatles, Pink Floyd, Cockney Rebel, Pilot, Frank Ifield, Marianne Faithfull, 10cc, Marmalade, The Tremeloes oder The Equals (um nur einige zu nennen) bezeichnen kann. The Alan Parsons Project jedoch ist so eine Band.
Das Schaffen von Alan Parsons wurde bereits in der Vergangenheit ausführlich dokumentiert. Seine Geschichte beginnt, als er für die EMI einen Job in der Abteilung, die für die Vervielfältigung von Aufnahmen zuständig ist, übernimmt -was ihm u.a. ermöglicht, als einer der ersten überhaupt das legendäre "Sgt. Pepper"-Album der Beatles zu hören. Kurze Zeit später wechselte er das Lager, um als Aufnahme-Assistent u.a. an "Let It Be" und "Abbey Road" zu arbeiten. "Schon damals lernte ich, wie unglaublich wichtig Experimente sind. Ich erkannte das Potenzial", erinnert er sich heute an diejenigen Tage zurück, in denen er mit den Fab Four arbeitete. "Sie benutzten das Studio vielmehr als eine Art Labor, einen Ort, an dem sie ihren eigenen Sound erforschen konnten -, allerdings hatten sie natürlich stets grandiose Songs im Gepäck, wenn sie das Studio betraten. Ich bin überzeugt, dass sich die Magie der Beatles zu einem großen Teil auch auf die Ideen im Studio bzw. auf die technischen Kniffe zurückführen lässt, mit denen sie die Songs in einem ganz neuen Licht erstrahlen ließen."
Es dauerte nicht lange, bis Parsons zum alleinverantwortlichen Toningenieur avancierte und von nun an Alben wie Paul McCartneys "Red Rose Speedway" oder den Pink-Floyd-Meilenstein "Dark Side Of The Moon" aufnahm. "Es gibt eigentlich kein Interview, in dem ich nicht auf Pink Floyd angesprochen werde", setzt er lachend an. "Und ich finde das gut. Es freut mich, denn diese Aufnahme-Sessions waren mit Sicherheit entscheidend für den weiteren Verlauf meiner Karriere. Insofern war das eine absolut wichtige Platte für mich -, und ich bin heute noch stolz auf sie. Sie war für alle Beteiligten ein voller Erfolg. Und trotzdem bin ich dadurch nicht reich geworden."
Als er schließlich Eric Woolfson traf, war Parsons bereits ein gestandener Produzent, der mit Bands wie Cockney Rebel und Pilot außerordentliche Erfolge gefeierte hatte. Jetzt, da ihm Eric als sein Manager den Rücken stärkte, sollten schon kurze Zeit später weitere Erfolge mit Produktionen für Bands wie Pilot, Cockney Rebel, Al Stewart, John Miles oder die amerikanische Progrock-Band Ambrosia folgen.
Woolfson versuchte sich derweil als Songwriter. Schon die ersten Treffen mit Andrew Loog Oldham, dem legendären Manager und Produzenten der Stones, sollten ihm die Augen öffnen: "Oldham ließ mich stundenlang warten. Endlos. Ich war mit ihm in einem Büro in der Denmark Street verabredet, und irgendwann kam er dann und sagte: `Du bist doch ein Songwriter, also spiel mir mal was vor.´ Also spielte ich, und er sagte nur, `Du bist ein Genie, komm am besten gleich mit.´ Und natürlich ging ich mit! Es gibt da einen Trip mit ihm, den ich wohl nie vergessen werde: Wir stiegen in seinen Chevrolet Impala, mit Chauffeur übrigens, der allein schon die gesamte Straße füllte, und fuhren los, um Keith Richards abzuholen. Dann fuhren wir zum Portland Place. Am beeindruckendsten war jedoch sein Fahrer: Immer, wenn ihm der Fahrstil eines anderen nicht in den Kram passte, kurbelte er die Scheibe runter und schlug mit einem Hammer kurzerhand die Scheibe des vermeintlichen Störenfrieds ein!"
Woolfson hatte sich von einem Songwriter (u.a. für Marianne Faithfull) zu einem Produzenten entwickelt, der Bands wie The Tremeloes betreute; zugleich war er Manager von Carl Douglas ("Kung Fu Fighting").
"Ich traf Eric in den Abbey Road Studios, und wir unterhielten uns zunächst über die Plattenindustrie, wie man das eben so macht", berichtet Parsons über die Bekanntschaft der beiden. "Ich hatte bereits mit den Aufnahmen für Pilot angefangen; dazu hatte ich schon meine ersten Charterfolge landen können, ohne jedoch das große Geld zu machen. Also dachte ich mir, dass mir Eric vielleicht ein paar Tips geben könnte. Er sollte mir eigentlich nur einen Ratschlag geben, in welche Richtung ich gehen sollte. Er jedoch machte mir sofort das Angebot, ab sofort mein Manager zu werden, und schon bald darauf erwähnte er auch ein gewisses Konzeptalbum, das ihm seit geraumer Zeit im Kopf herumspukte. Er wollte Geschichten von Edgar Allan Poe musikalisch umsetzen und fügte hinzu: `Oh, übrigens, ich hab auch schon ein paar Songs.´ Ich hörte sie mir an und war absolut beeindruckt."
"Ich hatte mit meinem Edgar-Allan-Poe-Projekt schon losgelegt, da kannte ich Alan noch gar nicht", erklärt Woolfson rückblickend. Die Idee war ihm nämlich bereits in Glasgow gekommen, als er sich gerade auf dem Weg zur Schule befand, und er an mehreren Kinos vorbeispaziert war, die grelle Poe-Filmposter in den Schaukästen hatten, wobei "The Pit and the Pendulum", "The Raven" und "The Fall of the House of Usher" laut eigener Aussage die auffälligsten waren. Eric war damals noch viel zu jung, um diese Filme sehen zu dürfen, aber gerade die Tatsache, dass es sich dabei um etwas Verbotenes handelte, machte sie noch attraktiver. Später, in den Sechzigern, als Eric einen Marketingkurs besuchte, begegnete er seinem Jugendtraum erneut, als der Kursleiter statistische Werte anführte, um eine neue Marketingstrategie zu erläutern: Der Mann am Rednerpult berichtete, dass sich noch kein Film, der auf Geschichten von Poe basiert, jemals zu einem Flop entwickelt hat. Keine einzige Poe-Verfilmung hatte ein Minus eingespielt. Eric kam die Idee, dass es sich vielleicht bei einem Album ähnlich verhalten könnte. Vielleicht würde ein Album, das von Poes Arbeiten inspiriert ist, genauso sicher ein Erfolg werden. So war ganz beiläufig die Idee hinter "Tales Of Mystery And Imagination" entstanden.
"Natürlich erkannte ich sofort, dass Alan einen ganz besonderen Ansatz hatte. Aber mir war auch klar, dass noch der nötige Gegenpol fehlte. Ich dachte mir, dass man vielleicht mein Songwriting mit seinem Können als Toningenieur und Produzent kombinieren müsste. Also machte ich einen Plan, formulierte meine Idee für das Projekt und zeigte das Konzept den Verantwortlichen von 20th Century Records, die zuvor schon Carl Douglas und Ambrosia unter Vertrag genommen hatten." Damit war das Fundament gelegt, auf dem die beiden "Tales Of Mystery And Imagination" aufrichten sollten. Das einzige, was jetzt noch fehlte, war ein Name für ihr Projekt.
"Wir haben The Alan Parsons Project ursprünglich nur als Namen gewählt, um darunter das `Tales´-Album zu veröffentlichen. Mehr war nicht geplant. Wir hatten nie auch nur daran gedacht, eine wirkliche Band zu sein, eine Einheit, die über Jahre besteht. Aber irgendwie blieb der Name dann doch hängen", erzählt Namensgeber Parsons. "Erics Vision beinhaltete, dass `Tales & Mystery´ mein persönliches `Dark Side Of The Moon´ sein sollte - also tat er das, was jeder gute Manager machen würde: Er stellte den Namen seines Schützlings in den Vordergrund", erläutert Parsons den Namensfindungsprozess weiterhin. "Es sollte ausdrücklich das Album des Produzenten sein, wobei er als Songwriter und Manager natürlich auch seinen Teil beisteuerte. Später hatte ich dann den Eindruck, dass er einen Namen wie Parsons/Woolfson Project vielleicht doch passender gefunden hätte. Und ich bin mir heute auch nicht mehr so sicher. Es war mein Ruf, der davon profitierte. Meine Produktionen ernteten den Erfolg. Und für Eric blieb letztlich nicht mehr viel Lob übrig. Trotzdem glaube ich noch immer, dass die Wahl die richtige war - obwohl wir uns erst wenige Wochen vor der Veröffentlichung für den Namen entschieden. Wir dachten an einen Titel wie "Tales Of Mystery And Imagination - Edgar Allan Poe - Produced by Alan Parsons", ein Album von unterschiedlichen Künstlern, das den Produzenten nur in diesem Kontext erwähnt. Aber das Label verlangte einen eindeutigen Namen für unser Projekt, und sie waren mit The Alan Parsons Project absolut zufrieden."
"Alan hatte zu jenem Zeitpunkt einfach viel mehr erreicht als ich. Sein Name war der größere im Business", gesteht Woolfson. "Hätte ich den größeren Namen gehabt, dann wäre es auch ohne Zweifel das Eric Woolfson Project gewesen! Sicherlich war die Entstehungsgeschichte unseres Namens alles andere als gewöhnlich, aber es war letztlich einfach nur eine pragmatische Entscheidung. Natürlich hatte ich die Firma im Rücken, ich war es, der das ganze Projekt initiiert und auf die Beine gebracht hatte, aber dennoch wusste ich schon damals, dass man nur einen Kapitän haben sollte, einen, der bestimmt, was im Studio passiert -, und man muss den Produzenten einfach auch mal die nötigen Freiräume geben. Denn das war schließlich auch das Kernkonzept dieses Albums: Die Rolle des Produzenten ist hier entscheidender als die der einzelnen Musiker, die an den Aufnahmen beteiligt sind."
Das Duo mit dem pragmatisch gefundenen Namen entschloss sich, mit einer ganzen Reihe von Musikern zu arbeiten: Den Anfangspunkt markierte die Band Pilot, mit der Parsons schon zuvor gearbeitet hatte (wobei einige der Bandmitglieder über Jahre an den Alben von APP beteiligt sein sollten), sowie Andrew Powell, einem renommierten Komponisten und Orchesterleiter. Im Fall von "The Fall Of The House Of Usher" war Powell zudem gemeinsam mit Woolfson und Parsons als Songschreiber beteiligt. Doch letztlich war es die Entscheidung, mit einer Vielzahl von Vokalisten zu arbeiten, die das Alan Parsons Project zu einer absoluten Ausnahmeerscheinung in der Musikgeschichte machte.
"Von Anfang an war klar, dass es bei unserem Projekt nicht um das Produzieren von Hit-Singles gehen sollte. Damit nahmen wir den Sängern schon den gesamten Druck, der sonst oftmals auf ihnen lastet. Was wir stattdessen im Sinn hatten war, eine qualitativ hochwertige Platte aufzunehmen, deren Konzeptcharakter die Hauptrolle spielt - und somit im Rampenlicht steht", erläutert Woolfson. "Alan wollte mit allen möglichen Leuten arbeiten, hauptsächlich mit Sängern, mit denen er bereits als Produzent und Tontechniker zu tun gehabt hatte. Außerdem war klar, dass wir beide keine weiteren `festen Bandmitglieder´ wollten. Der Rest der Kollaborateure sollte daher nur aus Gästen bestehen - wobei viele so oder so schon erfolgreiche Künstler waren, was ebenfalls dafür sprach, keine größere Band aus unserem Projekt zu machen."
Nachdem Parsons anfangs vereinzelt sogar selbst zum Mikrofon gegriffen hatte (auf "The Raven" und "To One In Paradise"), versammelten sie für "Tales Of Mystery And Imagination" letztlich eine eindrucksvolle Liste von Gastvokalisten, u.a. Arthur Brown, John Miles, Leonard Whiting (der den Romeo in Franco Zeffirellis "Romeo und Julia"-Verfilmung spielt) und Terry Sylvester von The Hollies.
Nach konkreten Erinnerungen an die Aufnahme-Sessions befragt, erwähnt Eric, dass selbst das Wetter eine überaus wichtige Rolle spielte: "Offensichtlich mussten wir auf dem `The Fall of the House of Usher´-Song mit Blitz- und Donner-Effekten arbeiten. Das verlangt die Story nun einmal. Als wir dann jedoch zu den Aufnahmen dieses Tracks gelangten, war es inzwischen Hochsommer geworden, Mitte August, und die Chancen auf so ein Wetter standen selbst in London alles andere als gut. Im Sound-Archiv der Abbey Road Studios gab es selbstverständlich vergleichbare Samples, allerdings klangen sie ganz anders als das, was wir im Sinn hatten. Also studierten wir jeden Tag die Zeitungen, begaben uns auf die Suche nach einem Ort, an dem die Wetterverhältnisse `besser´ bzw. für unsere Zwecke geeigneter waren. Wir experimentierten zu dieser Zeit mit einem so genannten `Dummy-Head´-Mikrofon, das einen perfekten und absolut realistischen 3D-Klang generiert, und zwar selbst auf einer Stereoaufnahme. Wir waren sogar bereit, an jeden x-beliebigen Ort der Welt zu fliegen, um dort den überdimensionalen Gummikopf in die Luft zu halten, nur um endlich den gewünschten Sound-Effekt auf Band zu bekommen. Aber wir hatten kein Glück: Nirgendwo in der Welt gab es einen Ort, an dem schwere Unwetter angekündigt waren, und just in dem Moment, als wir gerade aufgeben wollten, zog sich der Himmel über den Abbey Road Studios zu, und ein unfassbares Gewitter brach aus. Einfach so. Wir alle hatten so ein Gewitter noch nie erlebt -, es war fast schon wie ein kleiner Weltuntergang. Alan stürmte also sofort los, verkabelte unser Kunstkopfmikrofon und sprintete in den Garten hinterm Studio, um den nächsten Blitzschlag bzw. den nächsten Donner abzuwarten. Man muss dabei bedenken, dass der Regen so unfassbar stark war, das wir schon wieder ein neues Problem hatten: Die Tropfen, die auf das Mikrofon fielen, waren so dick, sie prasselten so druckvoll, dass sie unsere Donneraufnahme gefährdeten. Also kamen unser Bassist David Paton und ich dazu, um eine Decke über das Mikrofon zu halten. Wir standen also im heftigsten Gewitter aller Zeiten im Garten hinter dem Studio, ein Mikrofon in den Himmel gerichtet, mit einer Decke über unseren Köpfen und warteten auf den Donner - und was machten wir dann? Wir lachten uns kaputt. So sehr, dass wir wiederum eine Aufnahme mit unserem Gelächter versauten. Schließlich haben wir es nur geschafft, indem jeder von uns in eine andere Richtung schaute, um uns nicht gegenseitig zum Lachen zu bringen -, und dann hatten wir endlich den gewünschten Sound-Effekt im Kasten."
Auch Parsons erinnert sich nur zu gerne an die Orchesteraufnahmen zurück, die Teil des Entstehungsprozesses von "The Fall Of The House Of Usher" waren. "Sicherlich war es eine ganz schön waghalsige Entscheidung, ein siebenminütiges Orchesterstück auf einem Rockalbum zu integrieren -, aber ich hatte den Eindruck, dass der `Usher´-Kontext auch ein derartiges Experiment zuließ. Dazu kam, dass Andrew Powell einfach fabelhafte Arbeit geleistet hat. Die Orchesteraufnahmen für `Prelude´ haben wir so aufgenommen, wie man normalerweise ein Symphonieorchester aufnimmt, da gibt es eine ganz besondere Art, wie man die Mikrofone platzieren muss. Durchgeführt haben wir die Aufnahme-Sessions übrigens in der Londoner Kingsway Hall, die eine hervorragende Akustik hat, warum sie auch schon zuvor wiederholt für derartige Zwecke gebucht worden war. Leider befindet sich die Halle jedoch gleich neben einer U-Bahnstation, was bedeutete, dass wir besonders während der ruhigeren Passagen oftmals Probleme hatten, weil uns mal wieder ein Zug in die Quere kam, der gerade direkt unter uns durchrauschte."
Als das Album schließlich fertiggestellt war und vom Presswerk kam, nahm die Filmlegende Orson Welles einen Text auf, der bei der ersten Pressevorstellung in Los Angeles abgespielt wurde. Teile dieser Aufnahme von Welles wurden später (als Remix) in die CD-Neuauflage integriert, die erstmals im Jahr 1987 erhältlich war. "Es war echt mehr als ärgerlich, dass wir ihn nie persönlich treffen konnten", erinnert sich Parsons. "Wir waren drauf und dran, seinen Agenten anzurufen, um ein persönliches Treffen bzw. alles für die Stimmaufnahme Nötige zu arrangieren, als ein unauffälliges Band auf dem Tisch des Vizepräsidenten meines Labels landete. Wir setzten uns hin und lauschten absolut gebannt. Und, was soll ich sagen: Die Aufnahme war perfekt, in jeder Hinsicht, also blieb es bei dieser Version."
Obwohl das "Tales Of Mystery"-Album ursprünglich über 20th Century Records in den Staaten bzw. über Charisma in UK vertrieben wurde, war in dem Vertrag nur von einem Album die Rede - was absolut ungewöhnlich war. Doch so kam es, das The Alan Parsons Project schon kurze Zeit später einen Vertrag bei Arista unterzeichneten, wo sie im Jahr 1977 das Album "I Robot" veröffentlichten, wie auch acht (!) weitere LPs, wobei "Gaudi" (1987) den Endpunkt dieser Veröffentlichungsserie darstellte. Stets die Grenzen ihrer Vorgänger überschreitend, veröffentlichten sie eine knappe Dekade lang ihre experimentellen Sounds, was ihnen eine immer größere internationale Fangemeinde bescheren sollte...
Nachdem sie dann auch die Aufnahmen für ihr (vermeintliches) elftes Album fertiggestellt hatten, "Freudiana", trennten sich die Wege von Parsons und Woolfson jedoch - wobei das besagte Album in eine Bühnenshow umgeschrieben wurde. Und die Welt des Musicals war es auch, mit der sich Woolfson in den kommenden Jahren befassen sollte: Zu den Kassenschlagern seiner weiteren Karriere zählen "Gaudi" und "Gambler", bis auch er im Jahr 2003 mit seinem Album "POE: More Tales Of Mystery And Imagination" zurückkehrte, wobei es allerdings auch hiervon eine Musicalversion gab, die unter dem Namen "POE" eine sensationelle Premiere feierte sowie in den Abbey Road Studios vorgestellt und mitgeschnitten wurde.
Parsons nahm derweil weitere Alben unter seinen eigenen Namen auf, u.a. "Try Anything Once" (1993), "On Air" (1996), "The Time Machine" (1999) und "A Valid Path" (2004). Zudem absolvierte er schier endlose Tourneen durch alle Welt, in deren Rahmen er gemeinsam mit seiner Band jedoch in erster Linie Material aus seiner "Project"-Zeit mit Woolfson präsentierte.
Zwar mögen inzwischen 30 Jahre vergangen sein, seit das Album erschien, mit dem Alan Parsons und Eric Woolfson ihre beispiellose Karriere als The Alan Parsons Project einläuteten - doch der Blick zurück kann noch immer diejenigen großen Gefühle auslösen, die ihr langjähriges Rockexperiment schon im ersten Moment hervorrief.
Eric bezeichnet Edgar Allan Poe als "die wahrscheinlich größte Inspirationsquelle" seiner Musik, "weil er im Vergleich mit meinen anderen Helden, Sigmund Freud oder Antonio Gaudi z.B., deren Werk ich ebenfalls absolut inspirierend finde, ein noch verblüffenderes und noch extremeres Leben geführt hat - während Freud und Gaudi doch eher prosaisch gelebt haben."
"Das `Tales´-Album ist mir persönlich am wichtigsten", berichtet Parsons abschließend. "Das war schon immer so, und es wird sich wohl niemals ändern. Damit haben wir in jeder Hinsicht Neuland betreten. Die Qualität war einfach fantastisch: Gute Songs, neue Ideen, dazu ein Konzept, das wirklich funktioniert. Dazu kommt, dass das Album für eine ganz und gar nicht kommerziell ausgerichtete Platte, auch noch unglaublich erfolgreich war."
Jerry Ewing
Classic Rock Magazine, London, im Oktober 2006
Der Aufnahmeprozess birgt unzählige Momente, die man ohne Umschweife als magisch bezeichnen muss. Allerdings kann man den Prozess keinesfalls mit der Arbeit eines Töpfers vergleichen, der eine formlose Tonmasse auf seine Drehscheibe schleudert, um sie dann endlos lang zu bearbeiten, bis schließlich irgendwann diejenige Form zu Tage tritt, die ihm gefällt. Sicherlich könnte ein Außenstehender anmerken: "Aber ihr hattet die Form doch von Anfang an im Kopf, warum seid ihr nicht einfach dabei geblieben?" Nun, die Kunst des Töpfers liegt doch darin, dass er weiß, wann er aufhören muss. Und genau diesen Punkt muss auch der Produzent eines Albums finden, er muss ihn aufspüren, genau wie auch der Komponist ähnlich mit seinen Songs umgehen muss. Man sagt doch, dass ein Gedicht niemals fertig sein kann, dass man es allenfalls liegen lassen bzw. aufgeben kann. Über Musik kann man sicherlich dasselbe sagen, sei es nun ein Songtext oder irgendein anderer Aspekt, der zu einem Song führt. Der große Vorteil am Aufnahmeprozess ist jedoch, dass man immer wieder Demos aufnimmt und Rohversionen anfertigt, sodass man theoretisch immer wieder zurückfinden kann. Man kann sich in neue kreative Freiräume stürzen, wobei die alten Demos als Leitfaden fungieren, denn man kann immer wieder die Magie dieser zurückliegenden Momente vom Band abspielen und hat somit noch nicht alles verloren, wenn man sich mal verrannt hat.
Diese vorliegende Bonusmaterialsammlung gewährt nun erstmalig einen Einblick hinter den Vorhang, einen Blick hinter die Kulissen der Aufnahme-Sessions. Nicht nur finden sich eine ganze Reihe verworfener Experimente auf der CD, sondern auch diejenigen Demos, die zu den finalen Aufnahmen führten.
Für uns war es eine absolut faszinierende Erfahrung, noch einmal zu diesen frühen Aufnahmen zurückzukehren, weil wir sie dadurch noch einmal erleben konnten - daher gilt unser Dank insbesondere Daryl Easlea und Giancarlo Sciama von Universal Music, die dabei geholfen haben, diese frühen Klangdokumente aus etlichen Archiven zu besorgen. Ohne ihre Mithilfe wären diese Aufnahmen vielleicht für immer in Vergessenheit geraten. Außerdem wollen wir Haydn Bendall für seine unermüdliche Geduld danken, wie auch für seine Hilfe beim Durchforsten der Archive, um das vorliegende Material zu kompilieren.
Alan Parsons und Eric Woolfson, im Februar 2007
DISC 1
The Raven - Demoversion (Original)
Woolfson: "Schon bevor ich Alan überhaupt kannte, hatte ich wiederholt Zeit im Studio verbracht, um an den ersten Demos für mein Edgar Allan Poe-"Project" zu arbeiten. Diese Demoversion ist Anfang der Siebziger entstanden, wobei mir Rick Westwood und Dave Munden von The Tremeloes ausgeholfen haben. Ich selbst habe Keyboard gespielt und den Gesangspart übernommen."
Edgar - Demoversion eines unveröffentlichten Songs (Original)
Woolfson: "Eigentlich hatte ich gehofft, dass dieser Song ebenfalls auf dem ersten Album landet, aber einer der Verantwortlichen beim Label hat sich dagegen ausgesprochen. Er erklärte uns, dass in dem Wort `Goblin´ (Kobold), zumindest in den Staaten, etwas Anzügliches mitschwingt, wobei ich mir keinen Reim darauf machen konnte. Früher ging man einfach viel sensibler mit solchen Dingen um!"
Orson Welles Radiospot
Parsons: "Wir haben Welles einen Text gegeben, den er für die Radiospots vorlesen sollte. Zu dem Zeitpunkt hatte er noch keinen einzigen unserer Songs gehört. Wir nahmen also seine Aufnahme und kombinierten sie auf unterschiedliche Weise mit der Musik des Albums. Eines der Resultate war dieser Radiospot, der in den Staaten zu Werbezwecken eingesetzt wurde."
Interview mit Alan und Eric (1976)
Parsons: "Warren Duffy hat dieses Promo-Interview mit Eric und mir zusammengestellt. Er hatte schon zuvor jahrelang beim Radio gearbeitet und war ein alter Kollege der Beach Boys. Duffy war es übrigens auch, der die Veranstaltung zu unserem Album-Launch im Griffith Park Observatory in Los Angeles moderiert hat."
DISC 2
"Eric's Guide Vocal Medley" (Erics Gesangsanleitungen als Medley)
Woolfson: "Ich habe für jeden einzelnen Song eine Art Anleitungsversion eingesungen; auf diese Weise konnten sich die ausgewählten Vokalisten an meiner Version orientieren und besser arbeiten. Dieses Medley ist aus diversen Archivaufnahmen kompiliert; u.a. enthält es eine Vocoder-Version von `The Raven´ und sogar einen kurzen Gesangsauftritt von Alan, der im Mittelteil von `Amontillado´ zum Mikrofon greift."
Orson Welles Zwiegespräch
Parsons: "Hierbei handelt es sich um die komplette Aufnahme von Welles - allerdings ohne Musik. Teile davon wurden, wie gesagt, im Jahr 1976 für die feierliche Albumpräsentation im Griffith Park Planetarium benutzt, wie auch für die Radiospots. Später, 1987, haben wir seine Aufnahme dann auch auf der neu abgemischten CD-Version integriert. Da wir zuvor aber nicht alles verwenden konnten, beinhaltet diese Komplettversion sogar einen Abschnitt, der bis dato unveröffentlicht war."
"Sea Lions in the Departure Lounge" - Experimente mit Soundeffekten
Woolfson: "Das Beste an dem Aufnahmeprozess, und zugleich das, woran ich heute am ehesten zurückdenke, ist ein Element, das man gar nicht unbedingt erwarten würde: All die witzigen Episoden, die passiert sind, der ganze Humor, mit dem wir stets bei der Sache waren. Teilweise haben wir stundenlang mit Soundeffekten herumexperimentiert und herumgespielt - und hatten einfach nur unseren Spaß. Teile dieser Aufnahmen kann man auf diesem Track hören. Es handelt sich dabei letztlich um eine Rohversion von einem Teil von `The Fall Of The House Of Usher´, und zwar den Teil, in dem der Erzähler/Reisende sich dem bedrohlich wirkenden, mysteriösen Gebäude nähert, an die Tür klopft - nur um eine Flughafenlounge zu betreten, in der außer ihm nur Seelöwen und Schafe sind!"
GBH Mix - unveröffentlichte Experimente
Parsons: "Während der Aufnahmen gab es ein besonders heikles Problem: Wir fürchteten, dass uns jemand die Idee, ein Poe-Konzeptalbum zu machen, klauen könnte, was dazu führte, dass wir keinem der Musiker unser Konzept erklärten. Auch die Vokalisten und die Mitarbeiter der Abbey Road Studios durften davon nichts erfahren. Da allerdings die Titel von Poes Kurzgeschichten natürlich allen geläufig waren, mussten wir mit Decknamen arbeiten, mit Songtiteln, die nur für mich und Eric Sinn machten. So nannten wir beispielsweise `The Cask Of Amontillado´ in `Bristol Cream´ um, während aus `The Raven´ kurzerhand `The Raver´ wurde. Aus der klassischen Detektivgeschichte `The Murders In The Rue Morgue´ machten wir `GBH (Grievous Bodily Harm) In A French Street´, wobei der Track jedoch schließlich gar nicht auf dem Album landete. Arthur Brown durchschaute unseren Trick schließlich, allerdings hatte er auch ein leichtes Spiel, wenn man bedenkt, welchen Text er einsingen musste. Der Ragtime-Song, der an Bonny und Clyde erinnert, ist eine frühe Version von `Tarr and Fether´, wobei dieser Track kaum etwas mit der finalen Version gemeinsam hat. Außerdem sind auch aus dem Kontext genommene Teile von `Usher´ und `A Dream Within A Dream´ auf diesem Mix zu finden."