BACK-KATALOG: DIGGIN DEEPER

"Diggin Deeper" VÖ: 27.01.03

Opus de Jazz

Manche aktuellen DJs und Producer schrecken vor nichts zurück: Sie locken ihr Publikum mit dezenten, meist von alten Platten gesampleten Latin- und Brasil-Rhythmen auf die Tanzfläche, mischen allmählich Drum&Bass- oder House-Beats darunter, nehmen dann die Latin- und Brasil-Elemente langsam wieder raus - und ohne dass sie es wirklich merken, tanzen die Leute plötzlich zu Tracks, bei denen sie normalerweise fluchtartig den Club verlassen würden. Was einmal mehr beweist, dass die "Wurzeln des Acid Jazz" wohl endgültig resistent gegen den Wandel der Moden sind. Mit Nostalgie oder Revisionismus kann das - im Gegensatz zu manchen anderen Phänomenen, die man heute in Clubs beobachten kann oder muss - nicht erklärt werden, jedenfalls nicht allein. Es scheint eher an der Qualität gewisser Tracks zu liegen, dass sie heute so gut funktionieren wie "damals" - und manchmal sogar besser.

"Diggin Deeper" geht also mittlerweile in die siebte Runde. Einmal mehr konnten rare und übersehene Tracks ausgegraben werden, die im Original - wenn sie denn zu finden sind - Unsummen kosten würden. Von Jazz über Latin bis zu Funk und Soul ist mal wieder alles vertreten, was Clubberherzen höher schlagen lässt: Dig it!



Johnny Hammond
"It's Too Late"
Carole Kings "It's Too Late" ist wohl eins der meistgecoverten Stücke aller Zeiten. Der Organist Johnny Hammond dürfte mit seiner 1971 aufgenommenen - und damals nicht veröffentlichten - Interpretation einer der ersten gewesen sein. Mit dabei unter anderem George Benson (g), Billy Cobham (dr) und Freddie Hubbard (tp).

George Benson
"Serbian Blue"
1974 konnte George Benson noch "böse" sein - wie man auf dem verrucht-funkigen "Serbian Blue" hört. Aufgenommen wurde es 1974 für das Album "Bad Benson", aufgrund der zeitlichen Limitierung von Vinylalben passte es dann aber nicht mehr drauf. Schade eigentlich - denn was Benson und Mitstreiter wie Phil Upchurch (g), Kenny Barron (p), Ron Carter (b) und Steve Gadd (dr) unter der Aufsicht von Creed Taylor aus dem von Arrangeur Don Sebesky geschriebenen Track machten, ist definitiv hörenswert.

Waltel Branco
"Meu Balanco"
Der Inspirationsfluss zwischen Brasilien und den USA funktioniert in beide Richtungen: Viele brasilianische Musiker waren und sind von Soul und Funk beeinflusst. Gitarrist und Bandleader Waltel Branco offensichtlich auch - wie "Meu Balanco" aus dem gleichnamigen 75er Album beweist, für das Funkateers wie James Brown Pate standen.

Greg Adams
"Mahdi, The Expected One"
Über 25 Jahre war Greg Adams nicht nur Trompeter, sondern auch Arrangeur von Tower Of Power - und hat damit den messerscharfen Sound von deren legendärer Horn Section geprägt. Auf seinem 95er Solo-Album "Hidden Agenda" hat er einen ToP-Song von 1972 reanimiert, der damals nur auf einer raren Bay-Area-Compilation mit dem Titel "Lights Out: San Francisco" erschienen war: "Mahdi, The Expected One".

John Barry
"On Her Majesty's Secret Service"
Der Film selbst kam bei manchen Fans nicht allzu gut an - George Lazenby machte als James Bond in "On Her Majesty's Secret Service" keine allzu gute Figur. Die Filmmusik jedoch ist zum Klassiker avanciert - und in einer Neu-Interpretation der Propellerheads vor einigen Jahren noch einmal in die Charts gekommen. An die mondäne Dramatik von John Barrys Original kam deren Version jedoch nicht heran.

Milt Jackson
"Opus de Funk"
Ab und an musste auch ein Milt Jackson mal fremdgehen: 1973 spielte der Leader und Vibraphonist des Modern Jazz Quartet für CTI in Rudy van Gelders Studio das von Chef Creed Taylor höchstselbst produzierte Album "Goodbye" ein. Begleitet wurde er von den CTI-Cracks Hubert Laws (fl), Cedar Walton (p), Ron Carter (b) und Steve Gadd (dr). Horace Silvers Klassiker "Opus de Funk" bekommt in ihrer Interpretation neue Kräfte.

Oscar Brown Jr.
"Mr. Kicks"
Oscar Brown Jr. ist vor allem für seine klassische Interpretation des "Work Song" bekannt, zu finden auf seinem großartigen ersten Album "Sin & Soul" von 1960. Aus den Sessions zu diesem Album stammt auch das seinerzeit nicht veröffentlichte "Mr. Kicks".

Herbie Mann
"Let's Boom Chitty Boom"
"Let's Boom Chitty Boom - you and me" sagt jemand, wahrscheinlich Herbie Mann selbst, am Ende dieses Tracks. Was er damit wohl meint? Wie auch immer: Bei Musik geht's ja sowieso meist nur um das Eine - ums Tanzen natürlich. Und das kann man zu diesem mit illustren Seitenmenschen wie Chick Corea (p) und Jimmy Heath (ts) eingespielten und von Oliver Nelson arrangierten Track ganz vorzüglich.

Edison Machado
"Se Vocé Disser Que Sim"
Der Schlagzeuger Edison Machado war einer der rhythmischen Innovatoren des Samba-Jazz und ist auf vielen Alben etwa von Sergio Mendes und Stan Getz zu hören. Das von Moacir Santos und Vinicius de Moraes geschriebene "Se Vocé Disser Que Sim" stammt aus dem Album "Edison Machado e Samba Nova" und zeigt, dass Machado es auch als Bandleader drauf hatte.

Cyro Monteiro
"Liberdade Demais"
Er ist einer der Urväter des Samba, hatte 1937 seinen ersten Hit und war 1956 in der sensationell erfolgreichen Aufführung von Vinicius de Moraes' Musical "Orfeu da Conceição" zu sehen: Cyro Monteiro (1913-1973). Das Lied "Liberdade Demais" vom Album "Sr. Samba" erschien vielleicht schon bei der Veröffentlichung 1961 als leicht wehmütige Reminiszenz an alte Zeiten: Das wunderbare Timbre in Monteiros Stimme kann aber heute wie damals niemanden kalt lassen.

Wolfgang Dauner Trio
"Noa Noa"
Spätestens seit der Gründung des United Jazz & Rock Ensemble ist Wolfgang Dauner als experimentierfreudiger Fusionist bekannt. Aber auch schon in den 60ern hatte er vor keiner Art Musik Berührungsängste. Auf seiner 1967 erschienenen (und in Dauner-Diskografien meist nicht auftauchenden) LP "Klavier-Feuer - 12 Welterfolge mit dem Wolfgang Dauner Trio" findet sich neben Interpretationen etwa von "Yesterday", "Michelle" und "A Hard Days Night" auch die sehr schöne, brasil-inspirierte Eigenkomposition "Noa Noa".

Earth Wind & Fire
"Evil"
Das aus Earth Wind & Fires 73er Album "Head To The Sky" stammende "Evil" ist hörbar von Carlos Santana beeinflusst - dessen Rock-Anteil ersetzen Maurice White & Co. jedoch durch Jazz und Funk.

Bill Withers
"Lonely Town, Lonely Street"
An der Qualität kann es nicht gelegen haben, dass "Lonely Town, Lonely Street" nicht so ein großer Hit wurde wie etwa das vom selben Album "Still Bill" stammende "Use Me". Die Ingredienzen für einen Withers-Klassiker sind jedenfalls alle da: ein schwerer Funk-Groove mit prägnant rollendem Gitarren-Lick courtesy of Benorce Blackman, ein bedenkenswerter Text, eine einprägsame Melodie und Bills wie immer etwas schwermütiger Gesang.

Placebo
"Inner City Blues"
Eine ziemlich bunte Vita hat der Belgier Marc Moulin aufzuweisen: In den frühen 60ern begann er als klassischer Jazz-Pianist, ab den späten 60ern mischten sich Soul, Funk und Rock in seine immer elektrischere Musik, mit seinen Songs für die wunderbare Lio und mit seinem eigenen Duo Telex wurde er Ende der 70er zum Electro-Pop-Pionier - und heute produziert er angenehmen elektrifizierten Jazz im Entspannungsfeld von Wohnzimmer, Lounge und Club. Die Interpretion von Marvin Gayes "Inner City Blues" stammt aus dem 1971 erschienenen ersten Album seiner Fusion-Band Placebo, "Ball Of Eyes", und weiß vor allem durch Guy Theisens charmante Vocals zu gefallen.

Dan Siegel
"What Gives"
In Amerika wird der Keyboarder Dan Siegel unter dem hierzulande als etwas diskriminierend empfundenen Label "Smooth Jazz" gehandelt (und fleißig im Radio gespielt). Dass er auch auch ziemlich funky sein kann, zeigt er auf "What Gives", einem der fünf neuen Tracks von seiner 2000er "Best of"-Compilation "Along The Way".

Lonnie Liston Smith
"Springtime Magic"
Während ich dies schreibe, wird draußen gerade ein Kälterekord nach dem anderen erreicht. Da kommt es gerade recht, dass Lonnie Liston Smith mich musikalisch an den Frühling erinnert. Sein aus dem 78er Album "Loveland" stammendes "Springtime Magic" weckt Vorfreude auf wärmere Zeiten - und auf die nächste Ausgabe von "Diggin Deeper".



CD-Sampler

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