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"Skizzenbuch UNTERWEGS" - 100 Originale von Musikern der Indieszene
Texte + Bilder

WIR SIND HELDEN/JUDITH HOLOFERNES & MARK TAVASSOL
"Rotes Telefon"

Dieses Bild fügt zwei Orte zusammen, symbolträchtig getrennt durch einen gemalten Riss. Links ist der Iran, rechts Deutschland. Es zeigt eine Szene Anfang des Jahres 2002. Da gab es in Deutschland eine Band, die hieß "Helden" und war noch nicht komplett. Und es gab einen Bassisten namens "Wir sind". Das bin ich, Mark, aber ich war zu der Zeit im Iran, von wo ich stamme. Pola von den "Helden", mit dem ich eine uralte Männerfreundschaft pflege, schlug mich als Bassisten vor. Es fiel den dreien von der Gruppe nichts Besseres ein, als mich im Iran anzurufen und zu fragen, ob ich mein "Wir sind" in die Gruppe einbringen möchte. Dieser Vorschlag stürzte mich in eines der größten Dilemmas meines Lebens. Ich hatte nämlich kurz zuvor einen Arbeitsvertrag in einem Krankenhaus unterschrieben und vollmundige Zusagen gemacht. Doch wie die Geschichte letztlich ausgegangen ist, weiß inzwischen ja fast jedes Kind.

Auf der Seite, die ich, Judith, gemalt habe, sieht man unseren Part des Dilemmas. Uns war natürlich klar, in welches Problem wir Mark mit unserer Anfrage stürzten. Man kann surreal Kamele im Hintergrund durch das Bild laufen sehen - das verbindende Element des Ganzen -, und man sieht Gedankenblasen. In Jeans Blase sieht man einen Harddisk-Rekorder. Das ist ein metallener Bassist, den wir vorher in der Band hatten, der aber scheiße gespielt hat. Wir hatten einen künstlichen Bumm-Tschack-Apparat und den wollten wir loswerden. Ich dachte an einen echten Bass, der auf dem Bild wie eine Engelsharfe aussieht. Und in Polas sehr optimistischen Gedankenblasen befindet sich ein Bild von uns vieren zusammen in inniger Umarmung, wir stützen, tragen und halten einander. Und wir - das Publikum dazu muss man sich vorstellen - verbeugen uns. Diese irre Aktion hat jedenfalls funktioniert. Ansonsten sieht man auf dieser Zeichnung noch rote Telefonhörer, die die Brisanz der Situation unterstreichen.


EMBRACE/RICHARD MCNAMARA
"Freier Tag am Bodensee"

Ich habe den Bodensee gemalt, weil er mich an einen der wenigen Tage auf unserer letzten Tournee erinnert, an dem wir frei und eine gute Zeit hatten. Wir mieteten uns ein Motorboot, fuhren raus auf den See, sprangen ins Wasser und schwammen stundenlang darin herum. Das war wirklich höchste Wohlfühlstufe! Vielleicht war es sogar einer der besten Tage meines Lebens.

Dann hat unsere Roadcrew Fotos von unserem Planschausflug auf die Website der Band gestellt und unsere Freundinnen zu Hause sahen diese Bilder. Nichts ahnend riefen wir sie in jener Nacht nach einem Auftritt an und jammerten: "Oh, heute hatten wir einen verdammt harten Tag!" Und sie antworteten nur: "Wir haben die Fotos von euch beim Schwimmen gesehen. Ihr hattet doch in eurem Leben noch keinen einzigen harten Tag. Bewegt euren Arsch endlich nach Hause, ihr müsst die Hecken schneiden, abspülen und aufräumen." Unsere Mädels haben uns eine Lektion erteilt, doch das war es uns wert. Schließlich hatten wir einen Tag der Freiheit ausgekostet.


MANIC STREET PREACHERS/NICKY WIRE
"St. David's Wood

Ich liebte dieses verwunschene Waldstück nahe Blackwood in meiner Heimat Wales. Alles im Wald von St. David, der nach dem walisischen Schutzpatron benannt wurde, war von einem Geheimnis umgeben und strahlte Reinheit und pure Lust am Leben aus. Obwohl er wie ein Märchenwald wirkte, gab es ihn wirklich. Und was ist mit diesem herrlichen Wald passiert? Sein Herzstück wurde 2004 gerodet und zerstört im Namen des Fortschritts.
Der Wald musste Platz machen für eine neue breite Straße, die nun mitten hindurch führt und diese uralte Kulturlandschaft in zwei Hälften teilt.


Pressetext Skizzenbuch Unterwegs
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